Fleischsurrogate aus dem Labor
8. Januar 2018Ein Lebensmittelsurrogat, wie beispielsweise Fleischsurrogate, ist per Definition ein nicht vollwertiger Ersatz für ein Lebensmittel. Die Ursprünge dazu befinden sich in Kriegszeiten; neben Kaffee und dem Vorzeige-Lebensmittelersatz der Margarine gab es hier auch bereits erste pflanzliche Alternativen zu Fleisch, etwa die Erbswurst. Auf den ersten Blick erinnert sie an einen Silvesterböller, erkennt man nach dem Entfernen der Aluminiumverpackung doch gelbe Portionstabletten, die in warmem Wasser aufgelöst eine sämige Suppe ergeben. Die Erbswurst geht auf die Gebrüder Knorr zurück und gilt als eines der ersten industriell gefertigten Convenience-Lebensmittel überhaupt. Auch heute gibt es die nahrhafte Suppe noch – in den Varianten gelb und grün –, aber als Fleischsurrogate fungieren nun vorrangig andere Produkte.
Die Basis
Was macht gutes Fleisch aus? Eiweiß! Was braucht es also, um gutes Fleisch zu machen? Eiweiß! Alles an den Fleischsurrogate beruht auf isolierten und gereinigten Proteinen, sei es aus Pflanzen, aus Milch oder von Mikroorganismen produziert. So ist der japanische Seitan ein Produkt aus Gluten, einem Weizeneiweiß. Vielfach eingesetzt werden auch Molken-, Erbsen- und Sojaprotein. Auch der Klassiker Tofu besteht beispielsweise aus denaturiertem und koaguliertem Sojaprotein. Bei der Endpräsentation sind der Fantasie dann keine Grenzen gesetzt: Wie das Original kann der Ersatz gleichermaßen als Schnitzel oder Wurstscheibe enden.
Die Herstellungsverfahren
Hier kann in zwei Schritte unterteilt werden: die Herstellung der Proteinträgermasse und die Aromatisierung. Fleisch und Wurst kennzeichnet auch der besondere Umami-Geschmack, den reines Protein nicht mitbringt. Diesen versucht man im Nachgang mit verschiedenen Aromen und Gewürzen nachzuahmen oder in einem fertigen Gericht darüber hinwegzutäuschen. Bei Seitan bewirken das in der Regel Sojasoße, Gewürze und Algen. Der aktuelle Stand der Forschung beschäftigt sich mit der Nachahmung der einzigartigen Struktur. Egal ob Geflügel, Rind oder Schwein – Fleisch besitzt Fasern. Das Protein gilt es also in Form zu bringen; ein vielversprechendes Verfahren dazu ist die Nassextrusion, hier wird Protein mit Wasser unter hohem Druck und Schereinwirkung durch eine Düse gepresst. Diese Kräfte bewirken eine Ausrichtung der Proteinstränge in Strömungsrichtung, und es entstehen Fasern sowie eine angenehme Bissfestigkeit.
Die Kennzeichnung von Fleischsurrogate
Unter welcher Verkehrsbezeichnung nun die Fleischsurrogate unter die Leute gebracht werden sollen, ist momentan ein heißes Thema. Ist es für den Verbraucher eine unzumutbare Irreführung, wenn das Tofu-Schnitzel eben auch Schnitzel heißt, wie das kälberne Original? Der Deutsche Fleischer-Verband und der Vegetarierbund haben da ganz unterschiedliche Ansichten. So wünscht der Fleischverband, dass gängige Namen von Fleisch- und Wurstprodukten ausschließlich auch solchen vorbehalten sind. Der Vegetarierbund vertritt die Ansicht, Schnitzel, Currywurst oder Ähnliches gäben dem Verbraucher Auskunft über Konsistenz, Geschmack und Zubereitung, die ihm zusteht. Wegweisend könnte ein Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Sommer 2017 sein – hier wurde entschieden, dass Milchersatzprodukte weder mit Milch, Käse, Sahne, Butter oder Ähnlichem betitelt werden dürfen.
Konsum versus Ökobilanz
Pro Kopf werden in Deutschland jährlich ca. 60 Kilogramm Fleisch verzehrt, das entspricht ca. einem kleinen Wildschwein. Der Wert ist schon seit einigen Jahren konstant, Abweichungen ergeben sich durch das Geschlecht (ja, Frauen essen durchschnittlich nur 30 Kilogramm) und das Bundesland. Eine Einschränkung dessen und sei es mittels Fleischsurrogaten ist sicherlich auf lange Sicht von Vorteil. Wer es jedoch aus rein nachhaltigen und umweltschutztechnischen Gründen praktizieren möchte, sollte auch einen kritischen Blick auf die Produktion des Fleischsurrogats und von dessen Rohstoffen werfen. Ob sich dann für weniger Fleisch oder weniger Fleisch und mehr Ersatz entschieden wird, obliegt dem persönlichen Geschmack.
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