Erster Tag der Biene: Faszinierende Einblicke einer Oecotrophologin und Hobbyimkerin
18. Mai 2018Am 20. Mai 2018 wird zum ersten Mal der Internationale Tag der Biene gefeiert. Die Vereinten Nationen haben diesen Tag ausgerufen, um das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Insekten und die schwindenden Bestände zu schärfen. Mit dem folgenden Interview möchten wir einen Beitrag dazu leisten und haben in unserem Netzwerk die perfekte Bienenbotschafterin gefunden. Dorothée Scriba ist Oecotrophologin und Hobbyimkerin aus Leidenschaft. Sie nimmt uns im folgenden Interview mit in die faszinierende Welt der Bienen und gibt Einblicke in das Universum der kleinen Tiere, die einen immensen Einfluss auf viele Lebensmittel haben.
Die Biene ist ein eher ungewöhnliches Haustier. Wie bist du auf die Biene gekommen? Was fasziniert dich so an ihr?
Dorothée Scriba: Wenn wir von der Biene als Haustier sprechen, müssen wir uns vor Augen führen, dass es mit einer einzelnen Biene nicht getan ist. Entscheidet man sich für Bienen, dann hat man – zumindest während der Sommermonate – ca. 50.000 Haustiere, die ein Bienenvolk bilden. Im Winter sind es dann mit 10.000 bis 20.000 Tieren etwas weniger. Grundsätzlich haben mich Bienen schon seit meiner Schulzeit fasziniert, als wir die Biologie der Biene, ihre Staatenbildung und ihre besonderen Kommunikationswege, Nahrungsquellen innerhalb des Stocks weiterzugeben, im Biologieunterricht durchnahmen. Während des Studiums begegneten mir die Bienen wieder. Einmal bei den botanisch-agrarwissenschaftlichen Themen mit dem Schwerpunkt „Die Bedeutung der Bestäubungsleistung der Bienen für die menschliche Ernährung“ und ein weiteres Mal beim Thema Honig als Lebensmittel. Dass ich jemals eigene Bienen haben würde, hätte ich zu dem Zeitpunkt vor 20 Jahren nie gedacht. Aber je mehr das Bienensterben öffentlich diskutiert wurde, umso sensibler wurde ich für das Thema.
Wann wurde dein Imkerinnendasein konkret?
Dorothée Scriba: Die Idee zu imkern konkretisierte sich vor ungefähr vier Jahren, nachdem ich den Film „More than Honey“ gesehen hatte. Ein wirklich brisanter Film, den sich jeder anschauen sollte, der gerne Honig isst. Als ich dann auf Facebook über den Berliner Verein „Stadtbienen e.V.“ stolperte, fiel das letzte Puzzleteil meines bis dahin noch im stillen Kämmerlein geplanten Bienenprojektes an seinen Platz. Die Frage der Bienenbehausung war damit gelöst. Sie entsprach meiner Vorstellung einer wesensgemäßen Bienenhaltung. Meine Familie brauchte ich nicht lange überzeugen. Die Kinder waren sofort begeistert, und mein Mann hat sich – nach mittlerweile 30 Jahren – abgewöhnt, mir meine spleenigen Ideen auszureden, und sagte nur: „Bienen?! Wenn du meinst, dann mach!“ Dass ich schon längst mit einem Imkerkurs begonnen hatte und die erste Bienenbox bereits in der Garage stand, verriet ich ihm natürlich nicht. Mein, rückblickend blauäugiger, Plan war es, mir den Umgang mit Bienen zunächst „trocken“ in einem Jahresimkerkurs anzuschauen und danach zu entscheiden, ob ich wirklich Bienen haben möchte. Dieses Vorhaben war jedoch nach dem zweiten Kurstermin ad acta gelegt, als ein Jungimkerkollege im Kurs freudestrahlend von „seinen“ Bienen berichtete. Was soll ich sagen … eine Woche später zog Queen Elizabeth mit ihrem Volksstaat in unseren Garten ein. Das ist jetzt zwei Jahre her. Besonders faszinierend ist das System des Bienenvolkes, das als Superorganismus angesehen werden kann. Dieser besteht während des Sommers aus drei Teilen: einer Königin, rund 40.000 Arbeiterinnen (weiblich) und ca. 1.500 Drohnen (männlich). Von den ca. 50.000 Tieren ist nur die Königin in der Lage, das Volk aufrechtzuerhalten. Sie legt am Tag zwischen 2.000 und 2.500 Eier.
Gibt es gesetzliche Vorschriften für die Haltung von Bienen?
Dorothée Scriba: Es gibt einige Verordnungen und Paragrafen zur Bienenhaltung, die man als ImkerIn kennen sollte. Baurechtlich gibt es einige Dinge zu beachten, wenn man z.B. Bienenhäuser aufstellen möchte, und selbstverständlich diverse lebensmittelrechtliche Vorschriften, wenn man Honig verkaufen oder verschenken möchte: Honigverordnung, Lebensmittelhygiene-VO, Eichgesetz, Öko-VO, Lebensmittelinformations-VO. Bienenseuchen-VO und Bienenschutz-VO sind weitere Verordnungen, die es zu beachten gilt. Hier ist beispielsweise festgelegt, dass die Bienen beim zuständigen Veterinäramt und der Tierseuchenkasse angemeldet werden müssen und was im Falle einer Erkrankung der Bienen zu tun ist. Auch im BGB gibt es Paragrafen zur Bienenhaltung. Hier ist etwas unempathisch festgehalten, dass Bienen als „Zuführung unwägbarer Stoffe“ (= Immissionen) gelten und somit von Nachbarn geduldet werden müssen. Immer vorausgesetzt, dass ich als Imkerin die Bienen sach- und fachgerecht halte und die Völkeranzahl den örtlichen Gegebenheiten – Grundstücksgröße, Bepflanzung, Flugrichtung der Völker etc. – anpasse. Es ist aber so, dass mir grundsätzlich niemand verbieten kann, Bienen zu halten, da sie durch ihre Bestäubungsleistung dem Allgemeinwohl dienen. Bienen steigern den Ernteertrag um 30 Prozent und sorgen für eine gleichmäßige Fruchtbildung. Wenn den Landwirten dies bewusst wäre, würden sie vielleicht auch anders mit Spritzmitteln umgehen. Da die Gesetze immer wieder angepasst werden, sollte man hin und wieder deren Aktualität überprüfen. Und je nach Bundesland kann es unterschiedliche Vorgaben geben, über die sich jede/r ImkerIn informieren sollte.
Kannst du eigenen Honig gewinnen? Wie stellst du deinen Honig her?
Dorothée Scriba: Klar kann ich eigenen Honig gewinnen! Obwohl ich sagen muss, dass dies nicht mein erstes Anliegen war, als ich mich für die Bienen entschieden habe. Primär geht es mir um die Bienen an sich, der Honig ist dabei ein genussvoller Nebeneffekt, der mir die Arbeit mit den Bienen etwas versüßt. Und herstellen tun ihn die Bienen – ich bin da eher der Honigdieb 😉 und habe ein schlechtes Gewissen, meinen Bienen ihren Honig zu klauen. Immerhin muss eine Biene für ein Glas Honig à 500 Gramm 1,5 Kilogramm Nektar sammeln und ca. 75.000 Blüten dafür anfliegen. Das entspricht einer Flugleistung von zweieinhalb Erdumrundungen.
Da ich wesensgemäß imkere, möchte ich betonen, dass ich den Bienen so viel Honig lasse, wie sie für den Winter brauchen. Ein Volk in einer Bienenbox braucht ca. 15 Kilogramm Honig über die Wintermonate. Abhängig von der Wetterlage – viel Sonne = gutes Flugwetter = viel Honigertrag – hat ein Volk ca. 30 Kilogramm Honig eingelagert. Theoretisch könnte ich 15 Kilogramm herausnehmen. Ich nehme mir quasi nur den Überschuss. Im letzten Jahr habe ich 8,5 Kilogramm Honig geerntet, da war ich sehr zurückhaltend, denn das Problem ist, dass im Winter nicht nachgefüttert werden kann, weil die Bienen in einer Art Winterruhe verharren. Ist zu wenig Futter im Stock, verhungert das Volk. Mithilfe bestimmter Wiegemethoden kann die ungefähre Honigmenge in einer Bienenbox berechnet werden.
Üblicherweise werden Honigwaben geschleudert. Das funktioniert bei meiner Betriebsweise nicht, da meine Bienen die Rähmchen komplett selber ausbauen. Bei diesem sogenannten Naturwabenbau sind keine Mittelwände zur Stabilisation vorgegeben. Sind die Honigwaben verdeckelt, kann man davon ausgehen, dass der Honig erntereif ist. Das bedeutet: Er hat einen Wassergehalt von 18 bis 20 Prozent. Mittels eines Refraktometers kontrolliere ich das, denn wenn der Wassergehalt zu hoch ist, kann der Honig zu gären beginnen. Ist alles im grünen Bereich, schneide ich die Honigwaben aus den Rähmchen, stampfe die Waben mit einem Kartoffelstampfer in einem Eimer und lasse diese Masse anschließend durch drei immer engmaschiger werdende Siebe in einen Lagerungsbehälter laufen. Die gestampfte Honig-Waben-Masse sieht ein wenig wie „Bernsteinsuppe“ aus. Nach dem Filtern erhalte ich einen reinen Honig, der klarflüssig ist. Im Laufe der Lagerung kristallisiert er aus und wird fest. Das ist ganz natürlich und wird immer passieren. Ein naturbelassener Honig ist spätestens nach dem Winter vollständig auskristallisiert. Wie schnell dies passiert, hängt von der Honigsorte ab. Raps-, Löwenzahn- und Sonnenblumenhonig kristallisieren schnell aus, Akazienhonig hingegen bleibt recht lange flüssig. Der Kristallisationsprozess hängt von drei Faktoren ab:
- dem Verhältnis von Fructose zu Glucose, das bei den verschiedenen Honigsorten unterschiedlich ist
- dem Verhältnis von Glucose zu Wasser
- der Lagerungstemperatur
Diesen fest gewordenen Honig kann ich wohltemperiert (max. 40 °C im Wasserbad oder Wärmeschrank) „auftauen“ und mit einem speziellen Honigrührer cremig rühren. Dieser Honig bleibt dann in der Regel cremig.
Das übrig gebliebene Bienenwachs, das auch noch einiges an Honig und Propolis enthält, kauen meine Kinder als „Neandertal-Kaugummi“ – sehr lecker!
Was machst du mit dem Honig? Hast du ein paar Rezepttipps für das flüssige Gold?
Dorothée Scriba: Hüten wie einen Goldschatz! … Nein, Scherz beiseite. Im letzten Jahr hatte ich ja nicht viel. Den verzehren wir selber und verschenken ihn an ganz liebe Freunde. „Doro´s #1 – 2017“ ist einmalig und eine echte Rarität. Wer ihn bekommt, kann sich glücklich schätzen und sich echt etwas darauf einbilden! Ich denke, dieses Jahr werde ich mehr Honig ernten, da ich auch mehr Völker habe. Den eigenen Honig verwende ich nur kalt, entweder pur – am besten auf selbst gebackenem frischem Brot oder Stuten – oder als besondere Zutat in einer Salatsoße. Zu besonderen Anlässen mache ich ein Honigparfait. Zum Backen und Kochen ist er mir zu schade, da durch die Erhitzung wertvolle Stoffe wie z.B. Enzyme verloren gehen. Manchmal verwende ich ihn auch in selbst gemachter Kosmetik, wenn ich mir eine beruhigende Gesichtsmaske gönne.
Man hört immer mehr vom Bienensterben. Was hat es damit auf sich?
Dorothée Scriba: Stimmt, das Bienensterben ist akut und aktuell in allen Medien. Und ich denke, das ist auch gut so. Es sensibilisiert die Bevölkerung und führt hoffentlich zu einem Umdenken in vielerlei Hinsicht. Bei dieser Frage fällt es mir schwer, mich nur auf die Bienen zu beschränken, denn die Anzahl der Insekten insgesamt ist drastisch zurückgegangen. Neben den Honigbienen gehören dazu auch die Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten, die enorm wichtig für die Bestäubung unserer Nutzpflanzen sind. 80 Prozent unserer Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Bestimmte Pflanzen können beispielsweise aufgrund ihrer Blütenstruktur nur von Schmetterlingen oder von Hummeln bestäubt werden. Schaut man sich die Nahrungskette an, wundert es nicht, dass auch die Vogelpopulationen zurückgehen, da sie keine Insekten mehr finden.
Die Ursachen für den Rückgang der Insekten sind wohl multifaktoriell. Einerseits ist es der erhöhte Pestizideinsatz – Stichwort Neonicotinoide – in der Landwirtschaft, andererseits fehlen den Insekten die Nahrungsquellen, da in der Landwirtschaft die unerwünschten Wildkräuter zwecks Ertragssteigerung mit Herbiziden weggespritzt werden. Betrachtet man die modernen Felder, sieht man kaum noch Klatschmohn, Kornblumen, Wegwarten, Klee usw. Aber genau diese Pflanzen sind für die Insekten eine wichtige Nahrungsquelle für Nektar und Pollen, der essenziell für die Aufzucht der Bienenbrut ist. Die Monokulturen tun ein Weiteres. Es sind aber nicht nur die Landwirte, die sich der Verantwortung stellen müssen. Auch die private Gartengestaltung hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert. Nicht nur, dass die Gärten aufgrund der veränderten Baupolitik kleiner geworden sind, sie sollen auch möglichst leicht zu pflegen sein. In fünf Minuten mit dem akkubetriebenen Laubbläser durch den Vorgarten – fertig. Viele Vorgärten sind mittlerweile geometrisch designte Kieswüsten mit in Form geschnittenen Buchsbaumkugelstämmchen. Ein bisschen Grün soll ja schon drin sein, ist ja schließlich ein „Garten“. Insgesamt bieten diese Gärten aber wenig Attraktives für Insekten. Weder Nahrung noch Unterschlupf. Die Betonpflasterböden nehmen den erdnistenden Wildbienen (z.B. Sandbiene) die Möglichkeit, ihre Brut unterzubringen. Die lebendigen, duftenden Weißdorn- und Ligusterhecken, in denen Vögel geschützt brüten und Insekten an den Blüten ihre Nahrung sammeln können, werden immer häufiger durch eingegitterte Steinbrockenwände ersetzt. Findet hier nicht ein Umdenken statt, wird der Lebensraum unserer Insekten immer weiter eingeschränkt. Gibt es dann mal blühende Landschaften, sind sie mit Neuzüchtungen gestaltet, die gefüllte Blütenstände haben. Das sieht sicherlich sehr hübsch aus, nutzt aber den Insekten nichts, da sie nicht an die Pollenstände kommen können vor lauter Blütenblättern.
Unserer Honigbiene machen noch andere Faktoren zu schaffen. Dazu zählen Krankheiten wie die amerikanische Faulbrut oder die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe. Um die Übertragung eingeschleppter Krankheiten zu vermeiden, kann ich nur dazu aufrufen, keine Gläser mit Honigresten in die Glascontainer zu werfen. Honig kann immer mit Keimen und Erregern belastet sein, die für uns Menschen total harmlos sind, für unsere Bienen aber tödlich enden können. Bienen haben sehr schnell raus, wo sie Futterquellen finden. Unser Essen interessiert sie in der Regel überhaupt nicht. Wehe aber, es ist Honig im Spiel, dann hält die Biene nichts mehr zurück, bis die Quelle versiegt ist. Und die Glascontainer sind eine davon. Deswegen ist es ganz wichtig, die Honiggläser vor der Entsorgung im Glascontainer gut auszuspülen!
Wie sieht die Zukunft für deine Schwärme aus? Wo geht die Reise hin?
Dorothée Scriba: Wenn dich das Bienenvirus einmal gepackt hat, dann kommst du aus dem Schwärmen nicht mehr raus! Wenn ich heute zurückblicke, hatte ich eigentlich gar keine Chance, den Bienenvirus „unbeschadet“ zu überstehen. Im letzten Jahr zog ich aus dem Queen-Elizabeth-Volk ein zweites Volk heran; aktuell habe ich auf sechs Völker aufgestockt. Ich denke, langfristig wird es sich bei +/- zehn Völkern einpendeln. Einige Nachbarn haben auch schon Interesse an der Imkerei bekundet. Es ist also Vorsicht geboten – das Bienenvirus ist hochansteckend. Eine Heilung oder Therapie ist bisher nicht in Sicht.
Wer jetzt Hunger auf ein Brot mit Honig bekommen hat, der wechselt am besten zum Interview mit Brot-Sommelier Bernd Wettlaufer, der auch auf den Online-Handel für Brot setzt.